Eine Faust, die durch eine gelbe Wand geschlagen wurde.

Independent-Living-Bewegung in den USA

Die Selbstbestimmt Leben-Bewegung hat einen langen Weg hinter sich. Seinen Ursprung hat sie in der US-amerikanischen Independent-Living-Bewegung.

Die Geschichte aus den USA zeigt, wie schwierig der Weg für Menschen mit Behinderungen hin zu mehr Selbstbestimmung war – und dass es sich trotz aller Widerstände gelohnt hat, dafür zu kämpfen.

Der Anfang: Ed Roberts vs. University of California

In den 1960er Jahren liberalisierte sich die US-amerikanische Gesellschaft zusehends und zahlreiche Bewegungen, etwa die Frauenbewegung, entwickelten sich. Im Zuge dessen entwickelte sich auch eine Bewegung von Menschen mit Behinderungen: Die Independent-Living-Bewegung.

Der an Polio (Kinderlähmung) erkrankte Ed Roberts klagte sich 1962 in die University of California (UC) in Berkeley ein, nachdem der Dekan ihn mit der Begründung abgelehnt hatte: „Wir haben es mit Krüppeln versucht und es hat nicht funktioniert“.

Roberts bekam mit seiner Klage recht und konnte fortan an als erster Mensch mit Behinderung an der UC studieren. Bis dahin konnten Menschen mit Behinderungen nur in Institutionen leben. Roberts zog jedoch in ein Studentenkrankenhaus ein, in dem zwölf weitere schwerbehinderte Studierende lebten. 

Diese Ereignisse werden in der US-amerikanischen Behindertenbewegung als Ursprung der Independent-Living-Bewegung angesehen. Ed Roberts ist für viele Menschen mit Behinderungen bis heute ein großes Vorbild. 

Die Rolling Quads und Proteste

1968 gründeten sich die Rolling Quads, bei denen Ed Roberts selbst aktiv war. Es war die erste Organisation von Studierenden mit Behinderungen. Die Gruppe startete zahlreiche Aktionen, die alle zum Ziel hatten, Studierenden mit Behinderungen ein Selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Der Widerstand von Menschen mit Behinderungen weitete sich in den folgenden Jahren auf andere Teile der USA aus. Judy Heumann beispielsweise, verklagte das New York City Board of Education, da dieses ihr die Lehrerlizenz aufgrund ihrer Gehunfähigkeit verweigerte. Sie gründete 1970 die Disabled in Action, eine Organisation, die die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen durch Demonstrationen und Rechtsverfahren beenden möchte. In New York und anderen Städten der Ostküste folgten kurz darauf etliche Protestaktionen.

Gründung des ersten Center for Independent Living (CIL) – Umsetzung des Anti-Diskriminierungs-Gesetzes

1972 gründete sich schließlich das erste Center for Independent Living (CIL) in Berkeley. Dieses Zentrum richtete sich nicht mehr nur an Studierende, sondern an alle Bürger in der Gemeinde, die eine Behinderung hatten. Kurz darauf gründeten sich weitere CIL, in New York City, Boston, Houston und Chicago. Die CIL sowie die Disabled in Action setzten sich in der Folge für ein Anti-Diskriminierung-Gesetz ein (Rehabilitation Act of 1973). Darin ist vor allem festgehalten, dass Menschen nicht aufgrund ihrer Behinderungen ausgeschlossen werden dürfen.

Das Gesetz traf auf Widerstand, woraufhin die Bewegung zahlreiche Protestaktion startete, unter anderem 28 Tage lang das Department of Health, Education and Welfare in San Francisco besetze. Das Gesetz trat 1977 schlussendlich in Kraft und verbesserte die Lebensumstände von Menschen mit Behinderungen enorm.

Durchsetzung weiterer Rechte – Behinderungen als Bürgerrechtsfrage

In der Folge setzten Menschen mit Behinderungen weitere wichtige Rechte durch. Ein Meilenstein war der Americans with Disabilities Act of 1990. Mit dem Gesetz wurden beispielsweise alle öffentlichen Verkehrsmittel und Einrichtungen barrierefrei. Ebenso wurden Sprach- und Hörbehinderte bei telekommunikativen Einrichtungen berücksichtigt. Auch konnten nun Sanktionen bei Diskriminierungen gegenüber Menschen mit Behinderungen eingeklagt werden.

Bis heute gibt es in den USA mehr als 300 CIL, die sich weiterhin aktiv für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen einsetzen und dafür gesorgt haben, dass Behinderungen in den USA als Bürgerrechtsfrage angesehen werden. 

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